Fleischuntersuchungen: Bricht der Gebührendamm doch noch?
Böblingen (BZZ) – Während sich der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg immer noch schützend vor die Landratsämter des Landes stellt, die teilweise horrende Gebühren für Fleischuntersuchungen fordern und damit mehr und mehr die Existenz schlachtender Metzgereibetriebe gefährden, ist in Nordrhein-Westfalen Bewegung in die Prozessverfahren gekommen. Dort hatte das OVG Nordrhein-Westfalen in zwei Urteilen festgelegt, dass der Hoheitsträger grundsätzlich, wenn er eine kostendeckende Gebühr in seine Gebührensatzung festgelegt hatte, verpflichtet ist, dem Gebührenpflichtigen Schlacht- oder Zerlege-Betrieb eine einzelbetriebliche Abrechnung zu erteilen. Hat er dies nicht unternommen, fällt er wieder auf die EG-Pauschalgebühren als Berechnungsgrundlage für die Kosten der Fleischuntersuchung zurück. Nach Angaben der Kanzlei Prof. Dr. Tuengerthal und Dr. Liebenau haben diese Entscheidungen bereits zu erheblichen Gebührenrückzahlungen geführt.
Trotz uneinsichtiger Landräte und Kreisparlamente gibt es inzwischen auch in Baden-Württemberg ein Licht am Ende des Gebührentunnels. In Böblingen waren es freilich die Bauern, die politischen Druck machten und nicht etwa die inzwischen fast flügellahme Landesinnung des Fleischerhandwerks. Wenn sich die Landwirte zu ihrem jährlichen Kreisbauerntag treffen, sind stets Kommunal-, Landes- und Bundespolitiker aller Couleur vor Ort. So auch im Februar, als sich rund 200 Bauern in der Ehninger Festhalle trafen. Wie stets nutzte Andreas Kindler, der Vorsitzende der Böblinger Kreisbauernschaft, die Gelegenheit, um die Anliegen der Bauern zu vertreten. Die „Stuttgarter Nachrichten“ berichteten: „Dieses Mal richteten sich seine Forderungen vor allem an den Landrat Roland Bernhard. Seit Jahren liegen die Landwirte wegen der hohen Fleischbeschau-Gebühren im Gärtringer Schlachthof im Clinch mit dem Landratsamt. Völlig unverständlich sei ihm, wie der Kreis mal eben 15 000 Euro im Rahmen der Flurbereinigung für ein Gutachten über Lerchen ausgebe, sich aber querstelle, wenn es um den gleichen Betrag bei den Schlachthof-Gebühren gehe, sagte Kindler.“
Der Schlachthof in der Kostenklemme
Nur wenige Tage später berichtete die Lokalzeitung erneut über die teuren Fleischuntersuchungen in Böblingen mit dem Titel „Der Schlachthof ist in der Kostenklemme“. Eine Einigung sei nicht in Sicht, hiess es. Damit aber sei der beispielhafte Schlachthof des Landkreises in Gefahr und Verbraucherproteste drohten. „Als Böblinger Landwirte und Metzger vor 15 Jahren ankündigten, einen genossenschaftlich organisierten Schlachthof gründen zu wollen, auf dem das Vieh aus der Gegend zentral geschlachtet und an die beteiligten Metzger ausgeliefert werden sollte, waren viele skeptisch. Aus gutem Grund: Der kommunale Schlachthof, den die Stadt Böblingen kurz zuvor geschlossen hatte, schrieb trotz des großen Einzugsgebietes nie schwarze Zahlen. „Wie wollen Sie es dann schaffen?“, fragten die Kreisräte damals. Initiator Wilhelm Dengler, jetzt Landwirt und früher Manager bei IBM, gab sich kämpferisch. Das könne man nur herausfinden, indem man es versuche, sagte der Landwirt, der heute Geschäftsführer und Vorsitzender der Genossenschaft ist. Er glaubte damals fest daran, dass es in der Region genug kaufkräftige Kunden für Fleisch aus heimischer Produktion gibt. Die Gründer überzeugten die Kreisräte und es gab Zuschüsse.
An den Markt für gutes, aber eben auch nicht billiges Fleisch glaubt Dengler nach wie vor. Allerdings ist er nach fünfzehn Jahren Erfahrung mit der Schlachthof-Genossenschaft nüchterner geworden. „Der Markt ist sicher da, sonst gäbe es uns nicht mehr – aber er ist nicht so groß, wie ich früher einmal gehofft habe“, sagt er. Deshalb kämpft er seit langem darum, dass der Kreis die Fleischbeschaugebühren senkt. Die „Stuttgarter Nachrichten“ berichten:
„In dem Genossenschaftsbetrieb mit 20 Beschäftigten werden wöchentlich etwa 800 bis 900 Schweine, dazu bis zu 100 Rinder und bis zu 80 Lämmer geschlachtet. Pro Jahr macht das gut 50 000 Stück Vieh – die großen Schlachthöfe der Branche schaffen das in zwei Wochen. „Ein so kleiner Betrieb wie wir wird immer um seine Existenz kämpfen müssen“, sagt Dengler. „Von außen sind wir deshalb von Anfang an tot gesagt worden.“ Dennoch war es vermutlich gerade die Größe, die den Gärtringer Schlachthof die Konzentrationsprozesse und Lebensmittelskandale der vergangenen fünfzehn Jahre so gut überstehen ließ: Derzeit steigen die Stückzahlen sogar. Zwar gab es Jahre, in denen er Verluste einfuhr. Und in all den Jahren, sagt Dengler, sei nie eine Dividende an die gut 137 Mitglieder ausbezahlt worden. Doch das belastet keinen. Denn alle Mitglieder schätzen es, mit der Schlachtung aus eigener Hand werben zu können. „Die Direktvermarktung hätte sich bei uns nie so gut entwickelt, wenn es den Schlachthof nicht geben würde“, glaubt Dengler. Deshalb verfolgen die Mitglieder andere Ziele als das Streben nach Gewinn. „Keiner von uns könnte sich das Schlachten im eigenen Betrieb leisten“, sagt Dengler. „Wir haben die Philosophie, die Anlage auf Dauer zu erhalten.“
Aus diesem Grund streitet die Genossenschaft auch seit Jahren mit dem Landkreis um die Gebühren für die Fleischbeschau. Die Politik solle dafür sorgen, dass kleine Betriebe nicht auch noch durch Gebühren benachteiligt werden, forderte sie jahrelang. Den Schlachtbetrieb finanziell zu unterstützen, sei aber nicht möglich, stellte die Kreisbehörde klar. Aus dem Kreishaushalt sei eine solche Unterstützung nicht zu bestreiten, heißt es in einem aktuellen Bericht.
Nun ist laut Manfred Koch, der das Veterinäramt leitet, dennoch eine Einigung in Sicht. Wie in einer Ausschusssitzung des Kreistags bekannt wurde, hat sich das Amt für Veterinärdienste Anfang Dezember des vergangenen Jahres bereit erklärt, die Verwaltungskosten nicht mehr in die Gebührenrechnung mit einzubeziehen. Insgesamt geht es um 9,2 Prozent der Fleischbeschaugebühren, die mit 180 000 Euro einen stattlichen Betrag in der Bilanz des Betriebs einnehmen. Es handelt sich um Kosten, die der Kreis auch dann zu tragen hätte, wenn es den Schlachthof gar nicht gäbe – weil die Aufgabe so oder so erfüllt werden muss. Im Schlachthof arbeiten drei Tierärzte und zwei Laienbeschauer des Landkreises. Hinzu kommen die Kosten für Geräte, die notwendig sind, um das Vieh etwa auf Trichinen zu testen.“
Die Genossenschaft hatte stets gefordert, dass der Kreis einer EU-Richtlinie folgt, die es ermöglicht, bei kleineren Betrieben die Verwaltungskosten herauszurechnen. Dies würde dem kleinen Schlachtbetrieb mit einer Million Euro Jahresumsatz den Kampf gegen die Großen der Branche erleichtern. Anfang März wollen sich die beiden Seiten noch einmal an einen Tisch setzen. Landrat Roland Bernhard will dann eine Einigung erzielen. „Wir sind schon sehr nah beieinander“, sagt Wilhelm Dengler. Schließlich habe man das gleiche Ziel: Die heimische Produktion zu stärken.
Günstigere Gebühren für den Schlachthof
Am 13.3.2010 gab der Landrat in einer Presseerklärung bekannt, dass man sich geeinigt habe. Noch immer liegen die Gebühren des Landkreises Böblingen deutlich über dem Niveau, dass sie laut EU-Richtlinien haben sollten, doch von der gewährten Reduktion können selbst schlachtende Fleischerfachgeschäfte in anderen baden-württembergischen Landkreisen vorerst nur träumen. Auf politische Unterstützung Ihrer Interessenvertretung können sie jedenfalls derzeit nicht hoffen. Ulrich Klostermann, Geschäftsführer der Landesinnung, konnte die Fussstapfen seines omnipräsenten Vorgängers Peter de Longueville bisher nicht ausfüllen und Landesinnungsmeister Kurt Matthes dürfte seinen Schmusekurs auch mit dem neuen Landwirtschaftsminister Rudolf Köberle fortsetzen.
Landrat Roland Bernhard hat mit den Vertretern der Schlachthof eG Gärtringen und der Fleischerinnung Böblingen eine Einigung erzielt. Demnach werden künftig nur noch die unmittelbar in Zusammenhang mit der Schlachtung entstehenden Kosten gegenüber den Schlachtbetrieben in Ansatz gebracht. Darüber hinausgehende Kosten für Steuerungs- und Serviceleistungen bleiben unberücksichtigt. Dieser Konsens führt beim Schlachthof Gärtringen und den selbst schlachtenden Metzgereien zu günstigeren Gebühren bei der Durchführung der Schlachttier- und Fleischuntersuchung. Anderswo berechnen die Landkreise den Metzgern noch immer die Heizkosten und das WC-Papier.