Fleischreifung und Rindfleisch-Feinzerlegung rechnen sich
(Gempel) Dry Aged Beef“ ist zum Feinschmecker-Modethema geworden. Aber die beiden Filets eines Rindes wiegen zusammen nach wie vor nur gut 1 Prozent vom Lebendgewicht des Tieres. Ein fachliches Projekt der Staatlichen Gewerbeschule Hamburg zeigte, wie mit einer feineren Fleischzerlegung mehr Teilstücke für Steaks entstehen.
Neun Monate Vorbereitungszeit hatte die Abschlussklasse „Fleischer“ der Staatlichen Berufsschule Hamburg unter Leitung von Studiendirektor und Fleischermeister Norbert Latz. Dann zeigte der stellvertretende Schulleiter zusammen mit den angehenden Fleischern vor über 70 Fachbesuchern beim „Trendsalon Bedientheke“ die Ergebnisse des fachlichen Projekts, für das die NEULAND GmbH Bad Bevensen ein ganzes Rind zur Verfügung stellte.
Die Aktualität der Projektergebnisse für die Fleischbranche ist von drei Entwicklungen bestimmt: 1. Fleisch, besonders Rindfleisch, wird wegen der weltweit zunehmenden Zahl von Fleischessern langfristig immer teuerer. 2. Dry Aged Beef ist zum imageträchtigen Kult und Lieblingsessen der Eliten geworden. Man kann heute mit Steak angeben, wie früher mit Auto oder Urlaub. 3. Wer aus dem Rind einen höheren Anteil Steakteilstücke schneidet, schafft eine höhere Wertschöpfung, hat mehr Gewinn.
Am Anfang stand die Auswahl des Rindes. Ein NEULAND-Rind hat Auslauf, bekommt heimische und gentechnikfreie Futtermittel. „Das gute Fleisch stammt von den etwas fetteren Färsen oder Ochsen“, so erklärt Thomas Strauß, Geschäftsführer der NEULAND GmbH, die Auswahl des Rindes. Nach der Anlieferung an der Schule wurde eine Rinderhälfte in einem kleinen getrennten Kühlraum sechs Wochen lang am Knochen gereift. „Ein Fleischreiferaum braucht keine besondere Technik, aber es muss ein Kühlraum sein, in den kein frisches Fleisch gegeben wird“, schildert Norbert Latz die räumlichen Bedingungen. Die andere Hälfte des Rindes wurde zerlegt und in Fleischreife-Boxen und unter Vakuum gereift.
Am Tag der Präsentation wurde dann die Dry Aged Rinderhälfte fein zerlegt. Dem Fleisch war der Feuchtigkeitsentzug durch die Reifung deutlich anzusehen, es hatte einen nussigen, aber keinesfalls ranzigen Geruch. Die Ergebnisse und Schlussfolgerungen aus dem Projekt:
Die Teilstücke Filet, Roastbeef, Hohe Rippe und Hüfte bleiben die Klassiker, können aber facettenreich präsentiert werden: Chateaubriand oder Tournedos vom Filet, die Hohe Rippe als Rip Eye, Carré oder Entrecote. Die weiteren und für viele Fachbesucher neuen Steak-Teilstücke waren:
- (Foto 1_d) Steak vom Scherzel. Das ist der große kugelige und sehr feinfaserige Muskel am Rand der Oberschale, der drei bis vier runde Steaks ergibt.
- (Foto 2_d) Steak aus der Tafelspitze. Dabei gilt: Je weiter zur Spitze hin, desto zarter und marmorierter. Genau gegen die Fleischfaser geschnitten ergibt die Tafelspitze zirka drei bis fünf formschöne Steaks.
- (Foto 3_d) Steak aus dem Kugeldeckel. Die Feinzerlegung der Rindernuss ergibt die gefragte „Dicke Nuss“, die etwas zähere „Flache Nuss“ und den Kugeldeckel oder Nussdeckel, der von der Fleischfaserung her von allen drei Nussteilen am besten für Steaks geeignet ist. Er braucht aber einen sorgfältigen Zuschnitt.
- (Foto 4_d) Steak aus dem Schaufeldeckel. Steaks aus dem Vorderviertel sind immer eine besondere Herausforderung. Man findet sie durch genaue Beachtung der Fleischfaserung – beispielsweise im Schaufeldeckel. Dieser wird für seine Verwendung als Steak von den aufliegenden Häuten und Sehnen befreit.
- (Foto 5_d) Steak aus der Rinderschulter. Dabei wird die Blattschulter oder Flache Schulter von der dicken mittigen Sehne befreit. So ergeben sich zwei flache Teilstücke, die für Steaks von der Faserung her sehr gut geeignet sind.
- (Foto 6_d) Bavette und Zwischenrippensteak. Das war früher mal Verarbeitungsfleisch und landet jetzt – sorgfältig von Häuten und Sehnen befreit – in der Steaktheke. Das Bavette aus dem hinteren Stück des Rinderlappen ist grobfaserig, aber zart.
- (Foto 7_d) Steak vom Schlossdeckel. Dieses kleine Teilstück, das je Rinderkeule leider nur ein Steak ergibt, wurde vormals wenig wert geschätzt. Es liegt auf dem Schlossknochen tellerförmig auf. Auf dem Steakgrill war dieses Teilstück eine der kulinarischen Überraschungen.
Oben genannte Fotos betrachten.
Die neuen gereiften Rindfleischteilstücke überzeugten anschließend bei der Verkostung. Dazu wurden die vielen Teilstücke, getrennt nach den unterschiedlichen Reifeverfahren, von den Berufsschülern aus dem Bereich Gastronomie gekonnt gegrillt. Ein übereinstimmendes Urteil scheiterte daran, dass die Geschmäcker naturgemäß verschieden sind. Jedoch wurde die Fleischfarbe des in den Fleischreife-Boxen gereiften Fleisches am besten bewertet. Dry Aged hat den meisten Fachbesuchern am besten geschmeckt.
Autor: Fritz Gempel
Fachliche Empfehlungen:
Reifung und Vermarktung von Steak
Reifung, generell
Reifung bedeutet Feuchtigkeitsentzug. Umso trockener das Ausgangsmaterial ist, desto besser für das Produkt. Meist ist das etwas fettere Fleisch auch das trockenere.
Rindfleischauswahl
Die wichtigste Empfehlung gilt der Rindfleischauswahl. Besonders gut geeignet sind Färsen und Ochsen. Der Bulle ist zwar nicht grundsätzlich ungeeignet, hat aber im Regelfall gröbere Fasern und mehr fleischeigenes Wasser. Es gibt Fleischrinderrassen, bei denen auch die männlichen Tiere gute Fleischqualität ergeben (Charolais, Chianina u. a.).
Reifezeit
Vier bis sechs Wochen sind ein guter Kompromiss zwischen den Anforderungen eines hohen Geschmackserlebnisses und den Kosten der Fleischreifung. Experimente mit Fleischreifezeiten von bis zu 14 Wochen bringen bei erheblich höheren Kosten einen für nur noch wenige Feinschmecker erlebbaren Mehrgenuss.
Alter der Tiere
Ein wichtiger Aspekt ist das Alter der Tiere. Es kann sowohl Fleisch von jungen Tieren wie auch Fleisch von älteren Tieren gereift werden. Es gilt bei allen Tiergattungen und Fleischarten die Formel: Je jünger, desto zarter. Je älter, desto intensiver im Geschmack.
Verschiedene Qualitäten genau ausloben
Ein echtes Steak-Fachgeschäft sollte genau unterscheiden und beraten, etwa zu Geschlecht, Alter und Reifegrad. So könnten die spezifischen Eigenschaften an der Theke erklärt und gekennzeichnet werden:
- das Fleisch vom jungen Rind mit einem Alter von etwa 18 Monaten, hat eine zarte hellrote Farbe und deutlich feinere Fasern. Dieses Fleisch hat ein mildes Aroma – und nur selten einen intensiven Rindfleischgeschmack.
- das Fleisch vom Mastochsen, ist zwei bis drei Jahre alt. Hier hat das dunkelrote und stark marmorierte Fleisch meist auch eine stärkere Fettabdeckung. Schon die intensive Farbe verspricht auch einen intensiven Geschmack.
- das Fleisch von der Kuh. Hier gilt: Je älter das Tier, desto mehr Reifezeit. Das Fleisch der etwas älteren Kühe hat den optischen Nachteil der gelben Fettfarbe. Tipp: Fettabdeckung entfernen, denn nur diese ist gelb, nicht aber die eingelagerten Fettfasern. Das Kuhfleisch hat ein vergleichbar intensives Aroma wie der Ochse.
Fleischreifung unter Vakuum
Für die Fleischreifung ist der abgeschlossene Raum entscheidend. Dieser Raum kann theoretisch auch ein Vakuumbeutel sein. Die Fleischreifung im Vakuumbeutel ist funktional, aber nicht schön. Denn das vakuumgereifte Fleisch verfärbt nach dem Auspacken schnell negativ.
Fleischreifung in der Fleischreifebox
Die dick ummantelten Fleischreifeboxen schaffen eine kirschrote Fleischfarbe, die auch nach dem Entnehmen der Teilstücke aus der Box erhalten bleibt.
Fleischreifung im Rindertalg
Lange bevor es den Vakuumbeutel gab, fanden die Metzger eine Technologie, die eine ähnliche Wirkung hatte: Das Tauchen oder Einstreichen der zu reifenden Fleischteile mit ausgelassenem Rindertalg. Die Rindertalghülle lässt das Wasser raus, es kommt aber nichts rein – keine Feuchtigkeit, keine Mikroorganismen, Schimmel, Sporen usw. Dieses Verfahren hat aber einen wirklichen Nachteil: Es ist enorm zeit- und arbeitsaufwändig.
Fleischreifung im Laden
Die Fleischreifung am Knochen ist das traditionelle handwerkliche Verfahren. Zusätzlich zur Funktion werden hier auch die nostalgischen Bedürfnisse und die Ansprüche an das „Fachgeschäft“ erfüllt. Für den erfolgreichen Verkauf ist für den Verbraucher die Fleischreifung im Laden in einem Fleischreife-Schauschrank zu empfehlen.
Fleischreifung und Klima
Hauptproblem der Fleischreifung am Knochen ist jetzt das Erfordernis eines geschlossenen Raums mit entsprechender konstanter Temperatur und Feuchtigkeit. Ideal sind etwa 80 % Luftfeuchte und 1 Grad Celsius. Schwankungen von Temperatur und Feuchtigkeit sind der größte Feind der Rindfleischreifung.
Quelle: Presseservice Fritz Gempel