Gesetz über Veterinärkontrollgebühren in Hessen ist gemeinschaftswidrig
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)
19. März 2009(*)
„Gemeinsame Agrarpolitik – Gebühren für veterinär- und hygienerechtliche Kontrollen – Richtlinie 85/73/EWG“
In der Rechtssache C‑309/07
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof (Deutschland) mit Entscheidung vom 13. Juni 2007, beim Gerichtshof eingegangen am 5. Juli 2007, in dem Verfahren
Baumann GmbH
gegen
Land Hessen
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten
P. Jann sowie der Richter M. Ilešič, A. Borg Barthet,
E. Levits und J.-J. Kasel (Berichterstatter),
Generalanwalt: M. Poiares Maduro,
Kanzler: K. Sztranc-Sławiczek, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 4. September 2008,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– der
Baumann GmbH, vertreten durch die Rechtsanwälte L. Liebenau und
M. Stephani,
– des Landes Hessen, vertreten durch H. Nebel als Bevollmächtigten,
– der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch F. Erlbacher und M. Vollkommer als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 85/73/EWG des Rates vom 29. Januar 1985 über die Finanzierung der veterinär- und hygienerechtlichen Kontrollen nach den Richtlinien 89/662/EWG, 90/425/EWG, 90/675/EWG und 91/496/EWG (ABl. L 32, S. 14) in der durch die Richtlinie 96/43/EG des Rates vom 26. Juni 1996 (ABl. L 162, S. 1) geänderten und kodifizierten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 85/73) sowie des Anhangs A Kapitel I Nr. 4 Buchst. a dieser Richtlinie.
2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Baumann GmbH (im Folgenden: Baumann) und dem Land Hessen über die Berechnung der für veterinär- und hygienerechtliche Kontrollen von frischem Fleisch anfallenden Gebühren.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
3 Art. 1 der Richtlinie 85/73 sieht vor:
„Die Mitgliedstaaten tragen nach Maßgabe des Anhangs A dafür Sorge, dass für die Kosten, die durch die Untersuchungen und Kontrollen der Erzeugnisse im Sinne des vorgenannten Anhangs einschließlich derjenigen zur Gewährleistung des Schutzes der Tiere in den Schlachthöfen im Einklang mit den Anforderungen der Richtlinie 93/119/EWG entstehen, eine Gemeinschaftsgebühr erhoben wird.“
4 Art. 5 Abs. 1, 3 und 4 der Richtlinie 85/73 lautet:
„(1) Die Gemeinschaftsgebühren werden in der Weise festgelegt, dass sie folgende Kosten decken, die die zuständige Behörde bei der Durchführung der Kontrollen und Untersuchungen im Sinne der Artikel 1, 2 und 3 zu tragen hat:
– Löhne und Sozialabgaben der Untersuchungsstelle;
– durch die Durchführung der Untersuchungen und Kontrollen entstehende Verwaltungskosten, denen noch die Kosten der Fortbildung des Untersuchungspersonals hinzugerechnet werden können.
…
(3) Die Mitgliedstaaten können einen höheren Betrag als die Gemeinschaftsgebühren erheben, sofern die erhobene Gesamtgebühr die tatsächlichen Untersuchungskosten nicht überschreitet.
(4) Unbeschadet der Wahl der Behörde, die zur Erhebung der Gemeinschaftsgebühren ermächtigt ist, treten diese Gemeinschaftsgebühren an die Stelle jeder anderen Abgabe oder Gebühr, die von den staatlichen, regionalen oder kommunalen Behörden der Mitgliedstaaten für die Untersuchungen und Kontrollen gemäß den Artikeln 1, 2 und 3 und die Ausstellung der entsprechenden Bescheinigung erhoben wird.
Diese Richtlinie lässt die Möglichkeit der Mitgliedstaaten unberührt, eine Gebühr für die Bekämpfung von Tierseuchen und enzootischen Krankheiten zu erheben.“
5 Anhang A Kapitel I Nr. 1 der Richtlinie 85/73 legt Pauschalbeträge für Untersuchungskosten im Zusammenhang mit Schlachttätigkeiten fest. Die Modalitäten der Finanzierung der Kontrollen und Untersuchungen im Zusammenhang mit Zerlegungen werden in Nr. 2 dieses Kapitels geregelt. In Nr. 4 Buchst. a und b dieses Kapitels I heißt es:
„Die Mitgliedstaaten können zur Deckung höherer Kosten
a) die unter Nummer 1 und Nummer 2 Buchstabe a) vorgesehenen Pauschalbeträge für bestimmte Betriebe anheben.
Hierfür können – außer der in Nummer 5 Buchstabe a) genannten Voraussetzung – folgende Voraussetzungen gelten:
…
– Mehrkosten durch besondere Wegezeiten,
– zeitlicher Mehraufwand durch häufig wechselnde, vom Untersuchungspersonal nicht beeinflussbare Schlachtzeiten,
…
– Untersuchung der Tiere, die auf Verlangen des Eigentümers außerhalb der normalen Schlachtzeiten geschlachtet werden.
Die Höhe der Aufschläge auf die pauschale Leitgebühr ist abhängig von der Höhe der zu deckenden Kosten;
b) oder eine Gebühr erheben, die die tatsächlichen Kosten deckt.“
Nationales Recht
6 Wie sich aus dem Vorlagebeschluss ergibt, wurde die Richtlinie 85/73 zum Teil durch bundesrechtliche und zum Teil durch landesrechtliche Vorschriften in deutsches Recht umgesetzt.
7 Auf der Grundlage des Veterinärkontroll-Kostengesetzes vom 3. November 1998 (GVBl. 1998 I S. 414) zur Durchführung bestimmter Bestimmungen der Bundesgesetze erließ der Verordnungsgeber des Landes Hessen die Verwaltungskostenordnung für den Geschäftsbereich des Ministeriums für Umwelt, ländlichen Raum und Verbraucherschutz vom 16. Dezember 2003 (GVBl. 2003 I S. 362, im Folgenden:
VwKostO-MULV) und die Änderungsverordnung vom 31. Januar 2005 (GVBl.
2005 I S. 74).
8 Nach § 4 Abs. 6 des Veterinärkontroll‑Kostengesetzes werden Betriebe mit mehr als 1 500 Schlachtungen im Monat als „Großbetriebe“ betrachtet, von denen wegen besonderer Kontrollen spezifische Gebühren entsprechend den durch diese Kontrollen entstandenen Aufwendungen erhoben werden können.
9 § 5 dieses Gesetzes lautet:
„Für Amtshandlungen, die auf besonderen Antrag außerhalb der normalen Schlachtzeiten vorgenommen werden, kann ein Aufschlag zur Gebühr verlangt werden. Insbesondere können die besonderen Aufwendungen, die durch die Vornahme von Amtshandlungen außerhalb der normalen Schlachtzeiten entstehen, zusätzlich berechnet werden. Normale Schlachtzeiten sind
in Großbetrieben
an Werktagen zwischen 6.00 Uhr und 18.00 Uhr,
an Sonnabenden zwischen 6.00 Uhr und 15.00 Uhr,
in den übrigen Betrieben
an Werktagen zwischen 7.00 Uhr und 18.00 Uhr,
an Sonnabenden zwischen 7.00 Uhr und 15.00 Uhr.“
10 Nach den Angaben des vorlegenden Gerichts sieht die VwKostO-MULV für jede dieser beiden Betriebsgruppen degressiv gestaffelte Gebührensätze für die unterschiedlichen Arten geschlachteter Tiere vor, ohne dabei strikt der Systematik und Struktur des Anhangs A Kapitel I Nr. 1 der Richtlinie 85/73 zu folgen.
11 Nach der VwKostO-MULV beträgt der in § 5 des Veterinärkontroll-Kostengesetzes vorgesehene Gebührenaufschlag 25 % der normalerweise anfallenden Gebühren.
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen
12 Wie sich aus den dem Gerichtshof vorgelegten Unterlagen ergibt, liegen dem Ausgangsrechtsstreit vom Land Hessen ausgestellte Bescheide über die Erhebung von Gebühren zugrunde, die in den Geschäftsbetrieben von Baumann durchgeführte veterinär- und hygienerechtliche Kontrollen von frischem Fleisch betreffen. Baumann geht davon aus, dass die hessischen Landesvorschriften, die die Höhe dieser Gebühren festlegen, gegen das abgeleitete Gemeinschaftsrecht verstoßen, und erhob deshalb Klage beim Verwaltungsgericht Darmstadt. Dieses gab der Klage von Baumann mit Urteil vom 6. Juli 2006 statt und stellte fest, dass die VwKostO-MULV keine wirksame Ermächtigungsgrundlage sei, die dem Land Hessen ein Abweichen zulasten der Wirtschaftsteilnehmer von den in Anhang A Kapitel I Nr. 4 Buchst. a der Richtlinie 85/73 vorgesehenen Pauschalgebühren erlaube.
13 Das Land Hessen legte gegen dieses Urteil Berufung beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof ein. In der Annahme, dass die Entscheidung des Rechtsstreits von der Auslegung der Richtlinie 85/73 abhängt, hat dieses Gericht beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Ist der nationale Normgeber beim Gebrauch der Möglichkeiten, die in Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 85/73 und in Anhang A Kapitel I Nr. 4 Buchst. a für die Anhebung der Pauschalbeträge für bestimmte Betriebe und in Nr. 4 Buchst. b für die Erhebung einer Gebühr, die die tatsächlichen Kosten deckt, festgelegt sind, strikt an die in Anhang A Kapitel I Nr. 1 und Nr. 2 Buchst. a vorgesehene Gebührenstruktur (nach Tierarten, Jung- und ausgewachsenen Tieren, Schlachtgewicht usw.) gebunden, oder besteht für ihn die Möglichkeit, bei Festlegung des Gebührensatzes der Höhe nach zwischen Untersuchungen von Schlachteinheiten in Großbetrieben und sonstigen Untersuchungen zu differenzieren und darüber hinaus auch innerhalb dieser beiden Gruppen nach der Anzahl der vorgenommenen Schlachtungen innerhalb der Tierarten den Gebührensatz degressiv zu staffeln, allein unter der Voraussetzung, dass dies den tatsächlichen Kosten entspricht?
2. Kann der nationale Normgeber aufgrund der oben genannten Regelungen für Schlachtungen, die außerhalb der normalen Schlachtzeiten auf Verlangen des Besitzers vorgenommen werden, einen prozentualen Zuschlag zu den für Schlachtuntersuchungen innerhalb der normalen Schlachtzeiten erhobenen Gebühren erheben, wenn dies den zusätzlichen tatsächlichen Kosten entspricht, oder müssen diese Kosten innerhalb der pauschalen (erhöhten) Gebühr für alle Gebührenpflichtigen enthalten sein?
Zu den Vorlagefragen
Zur ersten Frage
14 Zur Beantwortung der ersten Frage ist zwischen der Befugnis, die den Mitgliedstaaten in Anhang A Kapitel I Nr. 4 Buchst. a der Richtlinie 85/73 eingeräumt wird, und derjenigen aus Anhang A Kapitel I Nr. 4 Buchst. b der Richtlinie zu unterscheiden.
15 Die erste dieser beiden Bestimmungen ermächtigt die Mitgliedstaaten, zur Deckung höherer Kosten als der in der Richtlinie 85/73 zugrunde gelegten die in dem genannten Anhang A Kapitel I Nrn. 1 und 2 Buchst. a vorgesehenen „Pauschalbeträge für bestimmte Betriebe“ anzuheben.
16 Dazu ist zum einen festzustellen, dass aus dem Wortlaut dieser Nr. 4 Buchst. a hervorgeht, dass diese Vorschrift nur zur Anwendung auf „bestimmte“ Betriebe vorgesehen ist, so dass ein Mitgliedstaat von ihr nur im Einzelfall Gebrauch machen und auf ihrer Grundlage keine Kategorisierung der Schlachtbetriebe einführen kann, die wie im Ausgangsverfahren auf deren Größe beruht.
17 Diese Auslegung wird im Übrigen durch die in Anhang A Kapitel I Nr. 4 Buchst. a der Richtlinie 85/73 enthaltene Liste der Voraussetzungen bestätigt, unter denen die Anwendung des fraglichen Aufschlags gerechtfertigt sein kann; diese Voraussetzungen beziehen sich zum einen alle auf spezielle Umstände, anhand deren ein Betrieb im Vergleich zu anderen individualisiert werden kann, und sind zum anderen gerichtlicher Nachprüfung zugänglich (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. September 1999, Feyrer, C‑374/97, Slg. 1999, I‑5153, Randnrn. 26 und 27).
18 Zum anderen kann sich, da Anhang A Kapitel I Nr. 4 Buchst. a der Richtlinie 85/73 ausdrücklich auf die in den Nrn. 1 und 2 Buchst. a desselben Kapitels I festgesetzten Pauschalbeträge Bezug nimmt, der Aufschlag, den die Mitgliedstaaten vorsehen können, nur auf diese Pauschalbeträge beziehen und muss daher deren System und Struktur beachten.
19 Daraus folgt, dass ein Mitgliedstaat in Anwendung von Anhang A Kapitel I Nr. 4 Buchst. a der Richtlinie 85/73 keine Gebühr erheben kann, deren Satz nach der Größe des Betriebs und der Zahl der geschlachteten Tiere gestaffelt ist.
20 Was Anhang A Kapitel I Nr. 4 Buchst. b der Richtlinie 85/73 anbelangt, ist zum einen darauf hinzuweisen, dass diese Bestimmung den Mitgliedstaaten eine Befugnis einräumt, von der sie unter der einzigen Voraussetzung, dass die Gebühr die tatsächlichen Kosten nicht überschreitet, allgemein nach ihrem Ermessen Gebrauch machen können (vgl. Urteil Feyrer, Randnr. 27).
21 Zum anderen darf eine nach dieser Bestimmung erhobene Gebühr nicht die Form eines Pauschalbetrags annehmen (vgl. in diesem Sinne das ebenfalls heute ergehende Urteil Kommission/Deutschland, C‑270/07, Slg. 2009, I‑0000, Randnr. 32).
22 Da die Beachtung der tatsächlichen Kosten die einzige Voraussetzung ist, die für die Mitgliedstaaten gilt, können diese die Höhe der genannten Gebühr nur dann auf der Grundlage von Anhang A Kapitel I Nr. 4 Buchst. b der Richtlinie 85/73 nach der Größe des Betriebs und der Zahl der geschlachteten Tiere staffeln, wenn feststeht, dass diese Faktoren sich tatsächlich auf die entsprechenden Kosten auswirken.
23 Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob ein Zusammenhang zwischen der Größe eines Schlachtbetriebs und der Zahl der geschlachteten Tiere einerseits und den Kosten, die für die Durchführung der in den einschlägigen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts vorgeschriebenen veterinär- und hygienerechtlichen Kontrollen tatsächlich anfallen, andererseits besteht.
24 Angesichts dieser Erwägungen ist die erste Frage wie folgt zu beantworten:
– Anhang A Kapitel I Nr. 4 Buchst. a der Richtlinie 85/73 ist dahin auszulegen, dass er es den Mitgliedstaaten nicht erlaubt, von der in diesem Anhang A Kapitel I Nrn. 1 und 2 Buchst. a vorgesehenen Gebührenstruktur abzuweichen und eine Gebühr zu erheben, deren Satz nach der Größe der Betriebe und degressiv nach der Zahl der geschlachteten Tiere innerhalb einer Tierart gestaffelt ist;
– Anhang A Kapitel I Nr. 4 Buchst. b der Richtlinie 85/73 ist dahin auszulegen, dass ein Mitgliedstaat dann nicht zur Beachtung der in den Nrn. 1 und 2 Buchst. a dieses Kapitels vorgesehenen Tarife verpflichtet ist und eine Gebühr erheben kann, die nach der Größe des Betriebs und der Zahl der geschlachteten Tiere innerhalb einer Tierart gestaffelt ist, wenn feststeht, dass diese Faktoren sich tatsächlich auf die Kosten auswirken, die für die Durchführung der in den
einschlägigen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts vorgeschriebenen veterinär- und hygienerechtlichen Kontrollen tatsächlich anfallen.
Zur zweiten Frage
25 Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Anhang A Kapitel I Nr. 4 Buchst. a und b der Richtlinie 85/73 dahin auszulegen ist, dass ein Mitgliedstaat für die Untersuchung von Tieren, die auf Verlangen des Eigentümers außerhalb der normalen Schlachtzeiten geschlachtet werden, einen „prozentualen Zuschlag“ zu den für die Untersuchung von Tieren normalerweise erhobenen Gebühren erheben kann, wenn dieser Zuschlag den zusätzlichen tatsächlichen Kosten entspricht.
26 Zur Beantwortung dieser Frage ist ebenfalls zwischen der Befugnis, die den Mitgliedstaaten in Anhang A Kapitel I Nr. 4 Buchst. a der Richtlinie 85/73 eingeräumt wird, und derjenigen aus Anhang A Kapitel I Nr. 4 Buchst. b der Richtlinie zu unterscheiden.
27 Nach der ersten dieser beiden Bestimmungen können die Mitgliedstaaten den Pauschalbetrag nur für bestimmte Betriebe anheben, was sie daran hindert, eine allgemeine Anhebung des Pauschalbetrags vorzunehmen, die von allen Wirtschaftsteilnehmern zu tragen ist.
28 Zu ergänzen ist, dass die Mitgliedstaaten, da Anhang A Kapitel I Nr. 4 Buchst. a der Richtlinie 85/73 auf die Höhe „der Aufschläge“ Bezug nimmt, gegebenenfalls mehrere Aufschläge gleichzeitig vornehmen können, ohne allerdings den Pauschalbetrag allgemein anheben zu können.
29 Da die Voraussetzungen für einen solchen Aufschlag in Anhang A Kapitel I Nr. 4 Buchst. a der Richtlinie 85/73 klar festgelegt sind, lässt sich dieser nicht als spezifische Gebühr im Sinne des Urteils vom 30. Mai 2002, Stratmann und Fleischversorgung Neuss (C‑284/00 und C‑288/00, Slg. 2002, I‑4611), ansehen, die zur Gemeinschaftsgebühr hinzuträte, damit bestimmte Kosten für Untersuchungs- und Kontrollmaßnahmen, die nicht in allen Fällen stattfinden, gedeckt werden.
30 Ein solcher Aufschlag steht allerdings nur dann im Einklang mit den Bestimmungen der Richtlinie 85/73, wenn er den zusätzlichen zu deckenden Kosten entspricht.
31 Was den Kostenanstieg betrifft, der sich aus der Untersuchung von Tieren ergeben kann, die auf Verlangen des Eigentümers außerhalb der normalen Schlachtzeiten geschlachtet werden, ist darauf hinzuweisen, dass zu den Faktoren, die zu gestiegenen Kosten führen können, offensichtlich die Arbeitskosten gehören, die sich aus den Beträgen ergeben, die den mit den fraglichen Kontrollen außerhalb ihrer normalen Arbeitszeiten betrauten Personen für die geleisteten – gegebenenfalls zusätzlichen – Arbeitsstunden zu zahlen sind.
32 Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob es sich im Ausgangsverfahren bei dem Zuschlag von 25 % zu den in Anhang A Kapitel I Nr. 4 Buchst. a der Richtlinie 85/73 genannten Pauschalbeträgen um einen pauschalen Wert handelt, der den zusätzlichen Kosten entspricht, die aus der Untersuchung von Tieren resultieren, die auf Verlangen des Eigentümers außerhalb der normalen Schlachtzeiten geschlachtet werden.
33 Was die zweite der genannten Bestimmungen, also Anhang A Kapitel I Nr. 4 Buchst. b der Richtlinie 85/73, betrifft, ist daran zu erinnern, dass sich aus Randnr. 20 des vorliegenden Urteils ergibt, dass diese Bestimmung den Mitgliedstaaten eine Befugnis einräumt, von der sie unter der einzigen Voraussetzung, dass die Gebühr die tatsächlichen Kosten nicht überschreitet, allgemein nach ihrem Ermessen Gebrauch machen können.
34 Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass eine in Anwendung dieser Bestimmung erhobene Gebühr, wie sich aus Randnr. 32 des Urteils Kommission/Deutschland ergibt, nicht die Form eines Pauschalbetrags annehmen darf, so dass ihr Gesamtbetrag von Fall zu Fall unterschiedlich ausfallen kann, je nachdem, welche Kosten die veterinär- und hygienerechtlichen Kontrollen in einem bestimmten Betrieb der zuständigen Behörde tatsächlich verursacht haben.
35 Daraus folgt, dass der von den einzelnen Betrieben zu zahlende Gesamtbetrag der Gebühr von Fall zu Fall unterschiedlich ausfallen kann, obwohl sich Anhang A Kapitel I Nr. 4 Buchst. b der Richtlinie 85/73 nicht auf „bestimmte Betriebe“ bezieht.
36 Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Untersuchung von Tieren, die auf Verlangen ihres Eigentümers außerhalb der normalen Schlachtzeiten geschlachtet werden, der zuständigen Behörde zusätzliche Kosten insbesondere in Form von Arbeitskosten verursacht, hat das vorlegende Gericht zu prüfen, ob die erhobene Gesamtgebühr den tatsächlichen Kosten entspricht.
37 Angesichts dieser Erwägungen ist die zweite Frage wie folgt zu beantworten:
– Anhang A Kapitel I Nr. 4 Buchst. a der Richtlinie 85/73 ist dahin auszulegen, dass ein Mitgliedstaat für die Untersuchung von Tieren, die auf Verlangen des Eigentümers außerhalb der normalen Schlachtzeiten geschlachtet werden, einen „prozentualen Zuschlag“ zu den für die Untersuchung von Tieren normalerweise erhobenen Gebühren erheben kann, wenn es sich bei diesem Zuschlag um einen pauschalen Wert handelt, der den zusätzlichen zu deckenden Kosten entspricht;
– Anhang A Kapitel I Nr. 4 Buchst. b der Richtlinie 85/73 ist dahin auszulegen, dass ein Mitgliedstaat für die Untersuchung von Tieren, die auf Verlangen des Eigentümers außerhalb der normalen Schlachtzeiten geschlachtet werden, einen „prozentualen Zuschlag“ zu den für die Untersuchung von Tieren normalerweise erhobenen Gebühren erheben kann, wenn dies den zusätzlichen tatsächlichen Kosten entspricht.
Kosten
38 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:
1. Anhang A Kapitel I Nr. 4 Buchst. a der Richtlinie 85/73/EWG des Rates vom 29. Januar 1985 über die Finanzierung der veterinär- und hygienerechtlichen Kontrollen nach den Richtlinien 89/662/EWG, 90/425/EWG, 90/675/EWG und 91/496/EWG in der durch die Richtlinie 96/43/EG des Rates vom 26. Juni 1996 geänderten und kodifizierten Fassung ist dahin auszulegen, dass er es den Mitgliedstaaten nicht erlaubt, von der in diesem Anhang A Kapitel I Nrn. 1 und 2 Buchst. a vorgesehenen Gebührenstruktur abzuweichen und eine Gebühr zu erheben, deren Satz nach der Größe der Betriebe und degressiv nach der Zahl der geschlachteten Tiere innerhalb einer Tierart
gestaffelt ist.
Anhang A Kapitel I Nr. 4 Buchst. b der Richtlinie 85/73 in der durch die Richtlinie 96/43 geänderten und kodifizierten Fassung ist dahin auszulegen, dass ein Mitgliedstaat dann nicht zur Beachtung der in den Nrn. 1 und 2 Buchst. a dieses Kapitels vorgesehenen Tarife verpflichtet ist und eine Gebühr erheben kann, die nach der Größe des Betriebs und der Zahl der geschlachteten Tiere innerhalb einer Tierart gestaffelt ist, wenn feststeht, dass diese Faktoren sich tatsächlich auf die Kosten auswirken, die für die Durchführung der in den einschlägigen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts vorgeschriebenen veterinär- und hygienerechtlichen Kontrollen tatsächlich anfallen.
2. Anhang A Kapitel I Nr. 4 Buchst. a der Richtlinie 85/73 in der durch die Richtlinie 96/43 geänderten und kodifizierten Fassung ist dahin auszulegen, dass ein Mitgliedstaat für die Untersuchung von Tieren, die auf Verlangen des Eigentümers außerhalb der normalen Schlachtzeiten geschlachtet werden, einen „prozentualen Zuschlag“ zu den für die Untersuchung von Tieren normalerweise erhobenen Gebühren erheben kann, wenn es sich bei diesem Zuschlag um einen pauschalen Wert handelt, der den zusätzlichen zu deckenden Kosten entspricht.
Anhang A Kapitel I Nr. 4 Buchst. b der Richtlinie 85/73 in der durch die Richtlinie 96/43 geänderten und kodifizierten Fassung ist dahin auszulegen, dass ein Mitgliedstaat für die Untersuchung von Tieren, die auf Verlangen des Eigentümers außerhalb der normalen Schlachtzeiten geschlachtet werden, einen „prozentualen Zuschlag“ zu den für die Untersuchung von Tieren normalerweise erhobenen Gebühren erheben kann, wenn dies den zusätzlichen tatsächlichen Kosten entspricht.
Unterschriften
* Verfahrenssprache: Deutsch.