Nach Streit mit Darbo will Zentis auch „naturrein“ sein
Wien (BZZ) – Nicht nur der österreichische Marmeladenhersteller Darbo, sondern auch sein deutscher Widersacher, der Konfitürenhersteller Zentis, verbucht den Ausgang des „Marmeladenstreits“ vor dem Landgericht Köln als Sieg, berichtete jetzt das österreichische Wirtschaftsblatt. „Uns war wichtig, das wir auch naturrein schreiben dürfen, wenn Darbo das darf“, sagt Zentis-Chef Karl-Heinz Johnen in einem Gespräch mit Redakteur Thomas Pressberger. Wie berichtet hatte Zentis wegen der Verwendung des Wortes „naturrein“ auf den Darbo-Produkten auf Unterlassung geklagt. Ein Einzelrichter des Landesgerichts Köln wies die Klage Ende Mai in erster Instanz ab.
Laut Wirtschaftsblatt meint Johnen, dass mit dem Richterspruch des Landesgerichts die Auslegung der deutschen Konfitürenordnung dahingehend geändert worden sei, dass jetzt auch in Deutschland der Ausdruck „naturrein“ verwendet werden darf, was vorher – im Gegensatz zur österreichischen Marmeladenverordnung – nicht der Fall war. „Wir werden auch ,naturrein‘ auf eine Reihe unserer Produkte schreiben, das steht uns und jedem anderen jetzt auch frei“, wird Johnen in Wien zitiert.
Einzige Voraussetzung dafür sei, dass Zentis für seine Konfitüren nicht mehr Zitronensäure, sondern Zitronensaft verwendet. Für Johnen ist die Geschichte damit endgültig gegessen, er plant nach anderthalb Jahren Rechtsstreit keinerlei weitere rechtlichen Schritte gegen Darbo in dieser Sache: „Wir werden nicht in Revision gehen, wir haben unser Ziel erreicht.“ Wenn kein anderes Unternehmen das Urteil anfechte und durch die Instanzen geht, hätten Darbo und Zentis nichts zu fürchten.
Die Aussagen von Karl-Heinz Johnen stossen bei kleineren deutschen Mitbewerbern und bei Verbraucherschützern auf Unverständnis und teilweise scharfe Kritik. Schwartau als wichtigster Mitbewerber hat sich noch nicht geäussert. Der Schweizer Fachjournalist Peter Ziegler, als Medienberater eines Heidelberger Anwaltsbüros zeitweise auch als Zeuge in den Prozess involviert, nannte die Aussagen des Zentis-Chefs am Freitag juristisch unqualifiziert und unehrlich. De jure sei Johnen nur einer von drei Geschäftsführern und de facto wegen seiner Prozesslust von den Eigentümern des Unternehmens und den beiden Mitgeschäftsführern Stefan Jansen und Dietmar Otte entmachtet worden. Sie hätten durchgesetzt, dass mitten im Prozess der bis dahin erfolgreiche Klageführer durch einen eigenen Vertrauten ausgewechselt worden sei. Peter Ziegler: „Der publicitysüchtige Johnen, der sich bei jeder Managerumfrage outet wurde regelrecht entmannt.“ Der Fachjournalist schätzt, dass Zentis für zwei exklusive Fachkanzleien in Heidelberg und München sowie die Darbo-Anwälte in Frankfurt etwa 1,2 Millionen Euro an Anwaltskosten aufwenden musste.
Die Rechnung von Zentis geht laut Peter Ziegler juristisch nicht auf und Johnen wisse das sehr wohl. Die liberaleren Vorschriften des Österreichischen Lebensmittelbuches (Codex Alimentarius Austriacus) könnten von einem deutschen Unternehmen nicht in Anspruch genommen werden. Hier besitze Österreich innerhalb der EU noch Sonderrechte. Der jetzige Richterspruch eines Einzelrichters in 1. Instanz bei einem deutschen Landgericht ändere zudem weder an der deutschen Konfitürenordnung noch an deren Auslegung auch nur ein Komma. „Mag sein, dass sich sogar Schwartau einlullen lässt und ebenfalls über Nacht ´naturrein´ produziert, aber sicher nicht die deutschen Verbraucherschützer“, sagt Ziegler. Wenn es angeblich im „Marmeladenstreit“ zwei Sieger gebe, dann gebe es einen grossen Verlierer, nämlich den Verbraucherschutz. Wenn Johnen jetzt sogar davon spreche, Zentis habe mit dem Prozess sein Ziel erreicht, dann sei das Rosstäuscherei und der Aachener Topmanager verdiene den örtlichen Orden wider den tierischen Ernst.
Warum der Zentis-Manager Johnen im November 2010 plötzlich die Friedenspfeife mit Darbo rauchen wollte, wird jetzt ebenfalls im Blatt aus Wien enthüllt. Die Auseinandersetzung hat Spuren im Österreich-Geschäft von Zentis hinterlassen. „Vor der Auseinandersetzung hatten wir einen Marktanteil von rund fünf Prozent, jetzt sind wir auf drei Prozent abgefallen“, sagte Johnen dem Wirtschaftsblatt. Sein Ziel ist, in zwei Jahren wieder auf das ursprüngliche Niveau zurückzukehren. Das klinge nach FDP, spottet Peter Ziegler. „Über Österreich´s Konfitüre lacht jetzt die Sonne, über Zentis die ganze Welt.“
Autor: Peter Ziegler, Basel