Verwaltung verheimlicht Produktinformationen – foodwatch klagt
Hannover (foodwatch) – Vor nunmehr drei Jahren wurde mit großer Geste das neue Verbraucherinformationsgesetz (VIG) eingeführt. Der damalige Bundesverbraucherminister Horst Seehofer (CSU) hatte das Gesetz als „Meilenstein“ bezeichnet und vollmundig versprochen, dass die Behörden künftig Informationen nicht mehr zurückhalten, sondern belastete Produkte und Hersteller namentlich nennen würden. Kurz, dass künftig Ross und Reiter genannt würden.
foodwatch hat die Probe aufs Exempel gemacht. Drei Jahre danach steht fest, dass es sich beim Gesetz des damaligen Verbraucherministers Horst Seehofer um reine Symbolpolitik handelt: Namen und Fakten werden in vielen Fällen heute noch genauso hartnäckig verschwiegen wie vor Einführung des Verbraucherinformationsgesetz.
Traurigstes Beispiel ist das Niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES): Im Juli 2008 hatte foodwatch nachgefragt, wie viele Fleisch-Proben aus den Jahren 2006 und 2007 als „gesundheitsgefährdend“ oder als „gesundheitsschädlich“ beanstandet wurden und um welche Produkte welcher Hersteller es sich dabei handelt. Die Antwort hätten wir spätestens im September 2008 erhalten müssen, denn die gesetzliche Frist für die Beantwortung einer VIG-Anfrage beträgt maximal zwei Monate.
Eine Zwischennachricht erreichte uns dann im Oktober 2008, also deutlich nach Ablauf der Auskunftsfrist. Darin wurde uns von einer LAVES-Mitarbeiterin mitgeteilt, dass es ihr „aufgrund des (…) Verwaltungsaufwandes“ leider nicht möglich sei, „die Regelfrist (…) von zwei Monaten einzuhalten.“ Sie bat uns um weitere Geduld und würde „zu gegebener Zeit abschließend auf den Vorgang zurückkommen.“
Unsere Geduld wurde dann tatsächlich auf eine sehr harte Probe gestellt. Denn nach wiederum mehrmonatigem Schweigen seitens der Behörde, haben wir uns am Ende des Jahres noch mal nach dem Bearbeitungsstand unserer Anfrage erkundigt. Unglaublich, aber wahr: Die einzige Reaktion des LAVES bestand darin, uns abermals um „etwas Geduld“ zu bitten! Weitere 21 Monate (!) erreichte uns kein Bescheid von diesem Amt – bis zum September 2010, als uns mitgeteilt wurde, dass ein „Großteil der begehrten Informationen“ nicht herausgegeben würde. Dabei handelte es sich gerade um die entscheidenden, nämlich darum, welche Produkte welcher Hersteller durch die staatlichen Kontrolleure als „gesundheitsschädlich“ oder „gesundheitsgefährdend“ beanstandet worden waren.
Für noch skandalöser als die Auskunftsverweigerung an sich halten wir aber die Begründung, die da lautet, dass es sich bei den zurückgehaltenen Informationen um „sonstige wettbewerbsrelevante Informationen“ handele, wozu „unter anderem für das betroffene Unternehmen ungünstige Untersuchungsergebnisse“ zählten. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen! Den Verbrauchern werden wichtige Informationen vorenthalten – darunter können die Namen von Firmen sein, die vergammeltes Fleisch verkaufen –, weil diese Informationen vielleicht dazu führen würden, dass die Kunden bei diesen Firmen weniger Fleisch kaufen würden! Spätestens zu diesem Zeitpunkt muss die Frage gestattet sein, ob man das „Verbraucherinformationsgesetz“ (VIG) nicht schleunigst in „Unternehmensschutzgesetz“ (USG) umtaufen sollte! Wie sollen Verbraucher jemals Produktnamen und Hersteller erfahren, wenn auch nach Inkrafttreten des Gesetzes „für das Unternehmen ungünstige Untersuchungsergebnisse“ verheimlicht werden?
Gegen diesen Bescheid hat foodwatch Widerspruch eingelegt. Nachdem dieser im Mai 2011 zurückgewiesen wurde, beschlossen wir, uns das nicht länger bieten zu lassen und reichten im Juni beim Verwaltungsgericht Oldenburg Klage gegen das LAVES ein. Im August übermittelten wir dem Gericht eine ausführliche Klagebegründung.