Deutscher Industrieller zeigt Kantonstierarzt als Tierquäler an
St. Gallen (BZZ) – Einmalig in der Schweizer Rechtsgeschichte: ein amtlicher Tieranwalt wurde wegen Anstiftung zur Tierquälerei angezeigt. Der seit drei Jahren schwelende Rechtsstreit um die grösste Indoor-Fischfarm der Welt in Oberriet treibt damit einem neuen Höhepunkt entgegen. Endgültiges Ziel von Hans Raab könnte eine Klage gegen die Eidgenossenschaft vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) sein. Vom EGMR wird jedoch verlangt, dass zuvor alle nationalen Gerichtsinstanzen erschöpft worden sind.
Der deutsche Industrielle Hans Raab (70) hat mit Schreiben vom 18. Mai 2011 an die Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen den Leiter des Amtes für Verbraucherschutz und Veterinärwesen, Dr. Thomas Giger (64), wegen Anstiftung zur Tierquälerei angezeigt. Raab reagierte damit auf einen Erlass des Kantons vom 10. März 2011, der ihn zur Anschaffung einer elektrischen Betäubungsanlage für seine Melander-Fischfarm verpflichtete. Raab scheibt in seiner Anzeige: „Wenn Dr. Giger von mir verlangt, dass ich das angesprochene Gerät und Verfahren in meinem Betrieb verwende, so sehe ich dies als Anstiftung zu einem Verfahren, das den Melandern im Sinne des Schweizer Tierschutzgesetz an sich vermeidbaren Schmerz, Pein und Stress bringt.“
Gestützt wird die Anzeige von Hans Raab durch ein Gutachten des international renommierten Experten Prof. Dr. Jörg Oehlenschläger aus Hamburg vom Februar des Jahres, das von diesem jetzt in einem Video auf YouTube erläutert wird. Oehlenschläger lehnt die vom Kantonstierarzt vorgeschlagene Betäubungsanlage aus Norwegen ab, da sie sich für die Melander nicht eigne. Melander sind Hybrid-Welse, die nur im Warmwasser leben können und in der Natur nicht vorkommen. Hans Raab hat sie aus zwei Welsarten aus Afrika und einem Wels aus dem malaiischen Archipel gezüchtet.
In einer Skizze erläutert Hans Raab der Staatsanwaltschaft die geforderte Anlage. Zuerst müssen die Fische aus ihrem Aufzuchtbecken in einen Transportbehälter verbracht werden. Anschliessend sollen sie bei vollem Bewusstsein in einen sogenannten Buffertank geschüttet werden (siehe Skizze). Schliesslich sollen die Melander durch eine aufsteigende Förderschnecke in den Elektrostunner transportiert werden, ebenfalls bei vollem Bewusstsein. Dort könnten ihre Schwanzflossen eingeklemmt werden, sagt Raab. „Für mich ist das ganze Verfahren nur Stress, Pein und Leid für die Fische. Ich lasse mich vom Kantonstierarzt nicht zur Tierquälerei zwingen.“
Experte Dr. Oehlenschläger bestätigt Raab, dass angesichts der ausserordentlich dichten und starken Haut der Melander und der durch den Stress abgesonderten Schleimschicht auch im Hinblick auf die vorgesehene Betäubung im Elektrostunner noch erhebliche Bedenken gegen diese Art der elektrischen Betäubung bestehen.
Über die Zukunft der Melander-Fischfarm in Oberriet besteht noch keine Klarheit. In der kommenden Woche wird der gegen die Fischfarm laufende Konkurs wahrscheinlich eingestellt und Gebäude und Gelände, die der Muttergesellschaft in Liechtenstein gehören, wieder freigegeben. Am Montag war eine Frist des Konkursamtes an die Beteiligten abgelaufen, Kostenvorschüsse in Höhe von 240 000 Franken für das laufende Verfahren einzuzahlen. Keiner der Gläubiger ist der Aufforderung gefolgt, lediglich ein Gläubiger hat sich über die Höhe des vom Konkursamt festgesetzten Vorschusses beschwert.
Für die grösste Indoor-Fischfarm der Welt bekam Hans Raab inzwischen zahlreiche Kaufangebote aus aller Welt.
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