Wulff – Deutschlands integrierender Präsident
Von Harald Moritz Bock, Generalsekretär Deutsch-Arabische Gesellschaft
Deutsche Kirchtumpolitiker zucken mit bangem Blick auf Umfragewerte zusammen und protestieren, als Christian Wulff den Istzustand Deutschlands beschrieb: „Der Islam gehört zu Deutschland“. Dieser Präsident aller Deutschen, also auch derjenigen, die sich nicht zum Christentum bekennen, setzt Maßstäbe, die weltweit, auch auf der anderen Seite des Mittelmeers, verstanden werden und dort einhellig ein positives Echo finden.Wulff differenziert bewusst nicht zwischen Alt- und Neudeutschen. Er sieht sich als Vertreter aller, die in unserem Lande leben und sich für Deutschland entschieden haben. So haben es einst die preußischen Könige mit den aus Frankreich geflohenen Hugenotten gehalten, die um Aufnahme baten. Ähnlich machten es die Bayern, als das türkische Heer vor Wien geschlagen wurde und Tausende türkische und arabische Soldaten dort bajuwarisiert eine neue Heimat fanden. Schon Jahrhunderte zuvor entschied weiland Deutschlands großer Kaiser Friedrich II. von Hohenstaufen (1194 – 1251) so, als er die opponierenden Sarazenen in den sizilianischen Gebieten des Reiches schlug und sie die Treuesten seines Heeres wurden (vielleicht eine lohnende Forschungsarbeit für Thilo Sarrazin!).
Christian Wulff ist zu Recht genauso Präsident der ‚Gottgläubigen’, der Atheisten und Agnostiker, der Muslime und Juden, der Orthodoxen und Kopten, der Bahà’i und Buddhisten… Sie alle prägen konzertiert das Bild des weltoffenen neuen Deutschlands.
Deutschlands Neubürger gefährden nicht unser säkulares Gemeinwesen. Christian Wulff steht in der Tradition des Großen preußischen Königs, der 1740 den Frankfurter Magistrat, der einem Katholiken das Bürgerrecht streitig machen wollte, belehrte: „Alle Religionen sind gleich und gut, wenn nur die Leute, die sich bekennen, ehrliche Leute sind, auch wenn es Türken und Heiden sind, die kämen und das Land besiedeln wollten, so bauen wir ihnen Moscheen und Kirchen.“ Die in unserer Verfassung verankerten unser deutsches Staatsverständnis prägenden Grundwerte, haben sich erst in viele Jahrhunderte währenden Kämpfen der Menschen gegen die Versuche geistiger Versklavung durch den Klerus herausgebildet.
„Wulff ist dort aufgetreten wie ein klassischer Entspannungspolitiker – und das offenbar mit Erfolg. Von den türkischen Zeitungen wurden er und seine Frau gefeiert wie lange kein deutscher Politiker mehr. Der Kernsatz von Wullfs Rede zum Tag der Deutschen Einheit, der Islam gehöre zu Deutschland, war offenbar nicht ganz so blauäugig dahin gesagt, wie es im ersten Moment schien. Dieser Satz war nun der Prätext zu einer zweiten politischen Forderung, die Wulff im Parlament in Ankara erhob: ‚Das Christentum gehört zur Türkei‘. Die Machthaber in Ankara wären gut beraten, auf Wulffs freundliche Umarmung nun auch politisch zu reagieren und – beispielsweise mit rechtlicher Gleichstellung christlicher Kirchen – erste Zeichen zu setzen. Ein solcher Schritt wäre auch ein Schritt in Richtung europäischer Standards und damit auch in Richtung Europäische Union. Wulff will das Thema der Integration zum Thema seiner Präsidentschaft machen. Die meisten in Deutschland lebenden Türken wissen, dass ihnen hierzulande wesentlich größere Freiheiten zugestanden werden als in ihrem Herkunftsland. Der deutsche Bundespräsident hat den Kampf um ihre Herzen aufgenommen. Dass er dabei den Weg über Ankara genommen hat, war ein kluger Schachzug“.