Todesurteil für Edelfische am Konstanzer Autobahnzoll
St. Galler Veterinär verweigerte Einfuhr kostbarer Zuchtfische aus dem Saarland:
afrikanische Welse sind auf der Rückfahrt erstickt
Konstanz (BZZ) – Sie standen stundenlang in der Mittagshitze am Autobahnzoll in Konstanz, dann musste ein Transport mit 60 wertvollen Zuchtfischen des deutschen Industriellen Hans Raab umdrehen und nach Qierschied ins Saarland zurückfahren. Den Schweizer Zöllnern lagen widersprüchliche Informationen vor, die ohne Anweisungen vom Zielkanton nicht geklärt werden konnten. Dort wollte der Amtsveterinär seine Mittagspause jedoch nicht unterbrechen. Auf der Rückfahrt ist jeder dritte Zuchtfisch wegen Sauerstoffmangel erstickt. Jetzt droht dem Kanton St. Gallen eine Schadenersatzforderung von über einer Million Franken, weil der Fischtransport über das EU-Informationssystem TRACES korrekt angemeldet und dort nicht abgelehnt worden ist.
Die Anwälte von Hans Raab bestreiten den Veterinären des Kantons St. Gallen nicht das Recht, die Einfuhr der Zuchtfische generell zu verweigern. Dies hätten sie aber im Einvernehmen mit bilateralen Verträgen mit der EU über das Informationssystem TRACES tun müssen, dem die Schweiz beigetreten ist. Das System TRACES ist ein Instrument für das Risikomanagement im Bereich Gesundheit von Mensch und Tier. Mit ihm lassen sich auf einem zentralen Server alle veterinärrechtlichen Informationen über den innergemeinschaftlichen Handel mit Tieren und Erzeugnissen tierischen Ursprungs sowie Tiere und Erzeugnisse aus Drittländern zusammenfassen. Darüber hinaus bietet es den Veterinärbehörden der Mitgliedstaaten und der Drittländer Unterstützung bei der Ausstellung von Veterinärbescheinigungen, da es Auskunft über alle rechtlichen Grundlagen in ihrer neuesten Fassung bietet.
Die Anweisung von TRACES musste auch dem Schweizer Autobahnzollamt in Konstanz-Kreuzlingen klar sein: „Bei der Ein- oder Durchfuhr von Tieren oder tierischen Erzeugnissen hat der Beamte der Grenzkontrollstelle bei der Kontrolle der Tiere oder der Erzeugnisse und der Einfuhrveterinärdokumente die Aufgabe, diese Informationen sowie die Genehmigung oder Verweigerung des Zugangs zum Hoheitsgebiet der EU in die TRACES-Datenbank einzugeben.“ Nach Meinung von Fachjuristen hätte am vergangenen Mittwoch der stellvertretende Amtsleiter der St. Galler Veterinäre Markus Seiler, den Widerspruch aufklären müssen. Doch Spediteure und Zöllner warteten vergeblich auf einen Rückruf des ausgewiesenen Tierschützers, der sich in seiner Siesta nicht stören liess. Damit hatte er für etliche wertvolle Zuchtfische das Todesurteil gesprochen. Verzweifelt versuchten die Spediteure mit dem verbleibenden Sauerstoff das Saarland zu erreichen. Ein Drittel der wertvollen Muttertiere sind inzwischen verendet, teilte der empörte Fischzüchter mit.
Noch vor dem Wochenende sandte die in Mannheim und Brüssel ansässige Fachkanzlei Tuengerthal & Liebenau, die Hans Raab vertritt, ein Fax an den Chef der Veterinäre von St. Gallen: „Meine Mandantschaft hat den Transport der Zuchtfische über den Saarländischen Veterinärdienst am 16. August angemeldet. Darauf haben Sie trotz Information durch das TRACES-System nicht reagiert. Stattdessen haben Sie zugewartet, bis der Fischtransport an der Grenze eintraf und dort den Zollbeamten die Anweisung gegeben, dass die Fische nicht importiert werden dürfen. Durch dieses Verhalten, dass auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit beruht, ist meiner Mandantschaft ein Schaden von mindestens 787´500 Franken entstanden“. Die Anwälte gingen noch von 15 toten Mutterfischen aus, inzwischen sind es 20 tote Melanderweibchen, alle voller Laich, im Durchschnitt 1500 Eier. Die Forderung übersteigt damit bereits die Millionengrenze.
Das Importverbot hat eine langjährige Geschichte. Wegen eines tierschutzrechtlichen Streites über die Tötungsmethode für seine seltenen Warmwasser-Welshybriden schloss Hans Raab im Frühjahr die Farm in Oberriet im Rheintal und der Kanton entzog ihm die inzwi¬schen in der Schweiz erforderliche „Wildtierhaltegenehmigung“, die auch für Zuchtfische wie die Melander gilt, die in der freien Natur gar nicht vorkommen. Das sei absurd, sagte Hans Raab über die in holprigem Deutsch gehaltene Verfügung des Amtsjuristen. Ihr Kernsatz: „Es ist Ihnen strikte untersagt, lebende Zuchtfische zu importieren, ohne dass diese von einem amtstierärztlichen Zeugnis begleitet sind und ohne dass unser Amt mit einer Tracesmeldung des im Herkunftsland zuständigen Amtstierarztes darüber informiert wird“. Was danach passierte zeugt von der Cleverness des deutschen Unternehmers und der Trägheit einer St. Galler Behörde, der ein Medienbruch unterlief. Raab´s Spediteure nutzten die vorgeschriebene elektronische Einfuhrprozedur, die Veterinäre in St. Gallen sandten ein Fax an alle Zollämter.
Seit 2008 kämpfen Tierschützer der als besonders radikal bekannten Organisation „Fair Fish“ zusammen mit Ostschweizer Veterinären und im Einvernehmen mit dem Bundesamt für Veterinärwesen (BVet) in Bern gegen die Fischfarm des deutschen Industriellen („Ha-Ra“ Putzmittel). Heute müssen sich alle drei von Hans Raab den Vorwurf gefallen lassen, sie seien Tiermörder. Im Facebook Forum „Melanderfarm“ heisst es: „Jetzt lässt Kantonstierarzt Thomas Giger seine Maske als ´Tierschützer´ fallen. Um seine Macht zu demonstrieren schickte er wertvolle Muttertiere in den Tod.“ Beide Seiten werden sich vor den Gerichten wiedersehen.
Autor: Peter Ziegler, Fachjournalist und Medienberater von Hans Raab
Link zum TRACES-System der EU, dem die Schweiz angeschlossen ist.