Hans Raab klagt in Strassburg gegen die Schweiz
Anwalt: Verfahren vor St. Galler Justiz war nicht rechtsstaatlich
Strassburg (BZZ) – Der deutsche Industrielle und Fischzüchter Hans Raab hat ernst gemacht: er klagt vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Strassburg gegen die Schweizerische Eidgenossenschaft. Die von der Regierung und der Justiz des Kantons St. Gallen erlassenen Anordnungen und Urteile gegen seine Melander-Fischfarm in Oberriet/SG werden damit erstmals von einem internationalen Gericht überprüft. Besonders delikat ist, dass Raab`s Klage auch das Rechtssystem des Kantons angreift.
Hintergrund des Verfahrens: die Anklagekammer des Kantons hatte im Juli 2011 Raab`s Anzeige gegen den Kantonstierarztes wegen Anstiftung zur Tierquälerei nicht angenommen und das Bundesgericht hatte im Oktober 2011 diesen Entscheid geschützt. Der Fischzüchter rügt jetzt in Strassburg, dass im Kanton St. Gallen eine Anzeige gegen einen öffentlich-rechtlichen Angestellten nur nach vorliegender Ermächtigung durch die Anklagekammer möglich ist. Die vom Kantonstierarzt angeordnete Elektrobetäubung in seiner Fischfarm in Oberriet für seine subtropischen Warmwasser-Welse sei de facto ein Akt der Tierquälerei und der Kantonstierarzt habe ihn dazu zwingen wollen. Gleichzeitig habe das Verbot der von Hans Raab entwickelten Kältebetäubung durch den Kantonstierarzt die Fischfarm lahm gelegt und faktisch zu seiner Enteignung geführt.
Das ist der Jurist, der Hans Raab bei dessen Beschwerde gegen die Eidgenossenschaft und den Kanton St. Gallen vertritt: Rechtsanwalt Markus Stephani (41) aus Heidelberg. Stephani ist spezialisiert auf Europarecht, internationales Wirtschaftsrecht und hat Erfahrungen bei der Interessenvertretung in Europa. Der Jurist spricht fliessend Französisch und Englisch, studierte in Heidelberg und Konstanz und erwarb an der Université d’Aix-en-Provence die „Licence-en-droit“. Seit 2009 besitzt er auch eine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft in Brüssel.
Markus Stephani fällt über die Justiz von St. Gallen ein vernichtendes Urteil. In seinem Schriftsatz heisst es zum Einführungsgesetz zur Schweizerischen Straf- und Jugendstrafprozessverordnung vom 03.08.2010 im Kanton St. Gallen: „Ein Rechtstaat, wie die Schweizer Eidgenossenschaft sollte kein System unterhalten, dass zu einem praktischen Ausschluss des Zugangs zu Gerichten bei Verletzungen führt, die durch öffentliche Angestellte oder Beamte erfolgen. Das Ermächtigungsverfahren kann nicht als rechtstaatlich bezeichnet werden.“
(Aktenzeichen beim EGMR: Beschwerde-Nr.: 4270/12)