Behörden: Abzocke statt Auskunft
Berlin (BZZ) – Mit dem am 1. September 2012 in Kraft getretenen Verbraucherinformationsgesetz sollte alles besser werden. Die Verbraucher sollten gewissenhafter und schneller über Gammelfleisch und Co. informiert werden. Und sie sollten schnell und unkompliziert Informationen bei den Behörden erfragen können. Von wegen, die Behörden oder die Politiker, oder alle beide, haben uns Konsumenten belogen! Die Aktivisten von „foodwatch“ machten die Probe aufs Exempel. Unglaublich, was sie erfahren haben. Gleich die erste befragte Behörde stellte Gebühren in schier unvorstellbarer Höhe und eine Wartezeit von zwei Jahren in Aussicht! Lesen Sie selbst.
„Dass eine Verbesserung des Gesetzes notwendig war, machen die jüngsten Hygieneskandale deutlich. Zwei Jahre flitzten Mäuse und Kakerlaken durch die Gänge der Produktionsstätte der bayerischen Traditionsbäckerei Müller-Brot. Bis zur Schließung des Betriebes erfuhren die Kunden davon nichts – und kauften weiter 640 Millionen Brötchen und 45 Millionen Brote ein. Gravierende Hygienemängel auch bei der Münchner Großmetzgerei Vinzenzmurr: Dort fanden die Kontrolleure „grünlich verfärbte, ranzig riechende Bratenwürfel, faulig schmeckende Leber sowie Schweinshaxe, die deutlich ranzig roch sowie ranzig schmeckte“. Auch diese Zustände waren den Lebensmittelbehörden bekannt, wurden aber ebenfalls monatelang nicht veröffentlicht.
Das neue Gesetz ändert daran gar nichts: Auch jetzt müssen die Behörden längst nicht alles bekannt machen, was sie über Gammelfleisch, Verbrauchertäuschung und Hygienemängel wissen.
Aber nicht genug damit, dass die Behörden viele Missstände nicht von sich aus kommunizieren, auch mit der Beantwortung direkter Nachfragen tun sie sich schwer und erheben Gebühren. Und zwar immer dann, wenn die für die Anfrage anfallenden Kosten über 1.000 Euro liegen. Dass diese Grenze leicht überschritten wird, konnten wir gleich bei unserer ersten Frage feststellen. foodwatch hat das niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit um Auskünfte bezüglich Fleisch, Wild und Geflügel gebeten: Wir fragten, wie viele Proben im Jahre 2011 gezogen wurden, wie viele Beanstandungen es gegeben hatte, welche Firmen davon betroffen waren und wie und wann die Bevölkerung unterrichtet wurde. Insbesondere wollten wir über gesundheitsgefährdende und gesundheitsschädliche Befunde informiert werden. Außerdem interessierte uns, wie die Beanstandungen verfolgt und ob strafrechtliche Ermittlungsverfahren oder Ordnungswidrigkeitenverfahren durchgeführt wurden. Abschließend fragten wir, welche Maßnahmen ergriffen wurden, um künftige Verstöße gegen das Lebensmittelrecht zu verhindern.
Mit Spannung erwarteten wir das Ergebnis unserer Anfrage. Was dann kam, zog uns allerdings die Schuhe aus und lässt sich nur als Schildbürgerstreich bezeichnen. Das Amt schrieb uns, dass die Beantwortung unserer Fragen einen Zeitraum von ca. zwei Jahren (!) in Anspruch nehmen werde und leider kostenpflichtig sei. Es schrieb: „ Nach hiesiger Einschätzung wird die Bearbeitung und Beantwortung der (…) Fragen des VIG-Antrages eine Kostenhöhe von voraussichtlich 80.000 Euro erreichen.“ Sie haben richtig gelesen, trotzdem noch mal in Buchstaben: Achtzigtausend Euro! Im nächsten Absatz wollten die Beamten wissen, ob wir unser Informationsbegehren unter den gegebenen Umständen aufrechterhalten. Ein Schelm, der Böses dabei denkt…
Diese Geldforderung ist eine Unverschämtheit und schiebt jedem Informationsbegehren einen Riegel vor. Diese Summe für Informationen, die frei zugänglich sein sollten, ist nicht hinnehmbar! Zumal das VIG – man erinnere sich an die vollmundigen Ankündigungen der Politiker – angetreten ist, den freien Zugang zu Informationen zu ermöglichen. Davon kann aber keine Rede sein, wenn Informationen den Preis eines kleinen Vermögens kosten. Und es kann verheerende Folgen haben, wie uns der jüngste Skandal – bei dem durch Schulessen Tausende von Kindern erkrankten – zeigte: Was ist, wenn ein Schulleiter eine Auswertung der Kontrollergebnisse von Catering-Firmen haben möchte, bevor er einen Essenslieferanten auswählt? Immerhin eine wichtige Entscheidung, wenn es um die Gesundheit von Kindern geht. Soll er dann vorher bei den Eltern Geld sammeln, damit sich die Schule die Information leisten kann? Welcher Geist steckt in einem so genannten „Informationsgesetz“ das eben gerade NICHT den freien Zugang zu Informationen ermöglicht, sondern bei dem die Informationen GEKAUFT werden müssen – und zwar teuer. Und bei dem wir zudem SEHR GEDULDIG sein und – wie im vorliegenden Fall – auch mal ZWEI JAHRE warten müssen.
Dieser Umgang mit Fragen, bei denen es um Lebensmittelsicherheit geht, ist zynisch und verhöhnt den Verbraucher. Deshalb kämpfen wir von foodwatch weiter für ein funktionierendes und dem Bürger dienendes Verbraucherinformationsgesetz. Wir fordern ein Gesetz, bei dem die Behörden von sich aus die vorliegenden Kontrollergebnisse umgehend veröffentlichen müssen. Dann könnte unser beispielhafter Schulleiter auf der Suche nach einer Catering-Firma einfach im Internet nachschauen und würde keinerlei Kosten verursachen. Dann könnte sich jeder Bürger informieren und erfahren, was die von ihm bezahlten Behörden schon lange wissen. Und vor allem müssten Informationen dann nicht mehr teuer eingekauft werden, sondern wären – so wie wir es fordern – gratis! Helfen Sie uns dabei! Werden Sie bitte jetzt Förderer/Förderin von foodwatch. Nur wenn wir viele sind und zeigen können, dass die Verbraucher die Wirkungslosigkeit des bestehenden Gesetzes durchschaut haben, werden wir gehört.“